Intimacy Coordination: Häufig gestellte Fragen

  • Was ist ein:e Intimacy Coordinator?

    Ein:e Intimacy Coordinator ist eine speziell ausgebildete Fachkraft für die professionelle Planung, Choreografie und Umsetzung intimer Szenen in Film, Fernsehen, Theater und Performance.

    Die Position ist eine künstlerische Leitungsfunktion (Head of Department) – vergleichbar mit der Rolle des Stunt Coordinators im Bereich Stunts. Wie beim Stunt Coordinator erstreckt sich die Verantwortung eines Intimacy Coordinators über alle Produktionsphasen, in denen szenische Intimität dargestellt wird – von der Vorbesprechung bis zur Postproduktion.

    ℹ️ Dazu gehören:

    Kreative Umsetzung der Regievision Schutz der Darstellenden Professionelle Choreografie der intimen Inhalte Kommunikation mit allen Gewerken (Regie, Kamera, Kostüm, Maske, Produktion etc.) Wahrung individueller Grenzen der Darstellenden Fortlaufende Consent-Absicherung

    ℹ️ Ein:e qualifizierte:r Intimacy Coordinator verfügt über:

    * Ausbildung in Bewegungschoreografie, insbesondere der impliziten körperlichen Darstellung von intimen und sexuellen Inhalten

    * Erfahrung in Schauspiel, Regie oder Physical Theatre

    * Kenntnisse in der filmischen Darstellung, Ästhetik und Dramaturgie von Intimität & Sexualität

    * Fachwissen im Bereich Consent-Absicherung und psychologische Sicherheit

    * Set- und Produktionserfahrung auf professionellem Niveau.

    * Erfahrung in kreativer Prozessbegleitung

    Intimitätskoordination ist eine spezialisierte Fachpraxis – geeignet für erfahrene Branchenpraktiker:innen mit fundierter künstlerisch-bewegungstechnischer, psychosozialer und koordinativer Kompetenz im Arbeitsbereich der erzählten (und erzählenden) Intimität.

  • Was ist ein:e Intimacy Coordinator nicht?

    * die Regie

    * ein:e “Intimacy Coach” -

    die korrekte Berufsbezeichnung ist “Intimacy Coordinator” oder die deutsche Übersetzung “Intimitätskoordinator:in”. Die Tätigkeit ist kein “Coaching”, wie etwa ein Schauspielcoach es ausübt, sondern Koordination. Intimitäts-Coaches sind Psycholog:innen, die im Bereich der Paar- und Sexualtherapie tätig sind und Paare zu Fragen und Problemen in der Partnerschaft beraten.

    * ein Crew-Mitglied -

    welches bereits eine Position am Set bekleidet, z.B. die 1. Regieassistenz, Casting, oder der Schauspiel-Coach. Intimacy Coordination ist eine volle Stelle im Stab. Sie ist zudem als neutrale Drittpartei keiner Position wie z.B. der Regie unterstellt.

    * Eine Meldestelle oder Vertrauensperson

    * die Zensur

    * Psychologische Beratung -

    Intimacy Coordinators sind in mentaler Erster Hilfe ausgebildet und können in psychischen Belastungssituationen erste Hilfe leisten und sensibel begleiten und unterstützen. Aber sie sind keine Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen oder Trauma-Therapeut:innen.

    Die Person, die dafür sorgt, daß sich am Set alle “wohlfühlen” -

    Wohlfühlen ist das falsche Wort. Intime Szenen brauchen: Klarheit, dramaturgisch fundierte Choreografie und professionelle Abläufe. Intimitätskoordinator:innen professionalisieren, gestalten und sichern intime Szenen. Mit dem Resultat dass alle Beteiligten entspannt, sicher und frei agieren können.

  • Wann sollte ich ein:e Intimacy Coordinator engagieren und für welche Szenen?

    ℹ️ Eine wichtige Frage - mit klarer Antwort: je früher desto besser.

    Eine gute Vorbereitung ist das A und O. Je früher ein Intimacy Coordinator in die Vorproduktionsphase eingebunden wird, desto sicherer und hochwertiger kann die intime Szene vorbereitet und umgesetzt werden. Der Hauptteil der Arbeit beginnt lange vor dem Drehtag.

    Der Mindestvorlauf kann, je nach Komplexität und Umfang der intimen Szenen, eine bis mehrere Wochen dauern. Eine Kuss-Szene braucht in der Regel weniger Vorbereitung als eine komplexe Gruppenszene mit simulierten intimen Handlungen. Hier muss man immer den Einzelfall betrachten.

    Wichtig zu wissen: Intimitätskoordination erzielt dann Sicherheit und Qualität, wenn alle dazugehörigen Arbeitsschritte rechtzeitig umgesetzt werden können. Die Vorbereitung macht den Unterschied - wie bei einer Kampfszene auch. Und zahlt sich beim Dreh durch Effizienz und Qualität in der Umsetzung aus.

    ℹ️ Bei welchen Szenen sollte ich eine:n Intimacy Coordinator engagieren?

    Eine Checkliste möglicher Einsatzbereiche finden Sie hier. Auch hier meine Empfehlung: sprechen Sie mich an wenn Sie unsicher sind und beauftragen Sie eine professionelle Gefährdungsbeurteilung, bzw. Ersteinschätzung des Drehbuchs: ich kann Ihnen schnell und sachkundig sagen, welche Szenen Betreuung benötigen und welche Maßnahmen jeweils zu empfehlen sind.

  • Was sollten Arbeitgeberin:nen beachten?

    Intimitätskoordinator:innen werden immer von der Produktionsfirma, bzw. dem Theater-/Opernhaus beauftragt.

    Arbeitgeber:innen setzen damit das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) um, welches dazu verpflichtet, mögliche körperliche undpsychische Gefährdungen am Arbeitsplatz zu erkennen, zu beurteilen und geeignete Schutzmaßnahmen umzusetzen.

    Intime Szenen sind, so wie Stunt oder Kampfszenen, sogenannte Risikoszenen. Sie bergen sowohl körperliche als auch psychische Verletzungsgefahr – insbesondere, wenn Nacktheit, Sexualität oder sexualisierte Gewalt dargestellt werden.

    Ich empfehle, intime Szenen frühzeitig zu planen und hierfür eine ausgebildete Intimitätskoordination als Fachkraft hinzuzuziehen.

    Folgende Punkte sind besonders wichtig:

    Frühzeitige Gefährdungsbeurteilung der intimen Szenen mit Ableitung entsprechender Maßnahmen zur Absicherung von Dreh / Proben.

    Klarer Briefingprozess: Schauspieler:innen sollten bereits vor dem Casting über alle vorhandenen bzw. potenziellen intimen Inhalte informiert werden.

    Ausreichend Probenzeit: Intime Szenen benötigen dramaturgisch-choreografische Vorbereitung und Wiederholbarkeit – planen Sie diese Zeit rechtzeitig im Drehplan ein.

    Verschriftung: Intimitätskoordinator:innen unterstützen Produktion und Darstellende bei sämtlichen schriftlichen Absicherungen, schaffen Klarheit und Sicherheit auf beiden Seiten: Nacktklauseln, Nudity Riders, Szenenvereinbarung, Probenprotokolle, Nachsorge.

    👉 Einen Kompaktguide für Arbeitgeber:innen finden Sie hier.

  • "Me too": ist Intimitätskoordination in Deutschland neu?

    Nein. Der Beruf ist nicht „neu“. Wir blicken tatsächlich schon auf rund 20 Jahre Praxis- und Berufserfahrung zurück!

    Intimitätskoordination entstand nicht durch #metoo, sondern schon lange davor. Sie hat sich aus der Tradition der Stunt- und Kampfchoreografie, sowie der Schauspielarbeit entwickelt.

    🇺🇸 Wer war die Erste?

    Tonia Sina – sie gilt als Pionierin der Intimacy Choreography. Bereits 2006 verfasste sie ihre Masterarbeit zum Thema Intimacy Direction and Choreography und begann, entsprechende Techniken zu unterrichten. Parallel dazu entwickelten Stuntleute in den USA Methoden, um Intimität am Set ähnlich wie Kämpfe zu choreografieren – mit Fokus auf Sicherheit und wiederholbaren Abläufen.

    Weitere frühe Mitgestalter*innen der internationalen Standards waren: Alicia Rodis, Amanda Blumenthal, Ita O’Brien, Lizzy Talbot, Adam Noble – und viele weitere.

    🇩🇪 Und in Deutschland?

    In Deutschland war ich die erste professionell ausgebildete Intimitätskoordinatorin. Ich habe die Berufspraxis ab 2018 aktiv eingeführt, weiterentwickelt und mit Standards, Dokumenten und Sprache ausgestaltet, auf die heute viele Kolleg*innen zurückgreifen.

    * Im Mai 2018 traf ich Ita O’Brien (UK) beim Cannes Film Festival, kurz nachdem sie ihre Intimacy on Set Guidelines veröffentlicht hatte.

    * Im November 2018 organisierte ich für den Bundesverband Schauspiel (BFFS) den ersten deutschsprachigen Fachaustausch zur Berufspraxis und vernetzte Ita O’Brien mit der Berlinale 2019, wo ihr Kollege David Thackeray, mein damaliger Mentor, das Handwerk erstmals öffentlich in Deutschland präsentierte.

    * Im Sommer 2019 begann ich aktiv mit der Umsetzung der Praxis – am Theater, am Set, mit Schauspielstudierenden, Produktionsfirmen und Institutionen.

    * Mein erstes Brancheninterview erschien im Herbst 2019 im Casting-Network Magazin von Tina Thiele. Interessierte können es hier nachlesen.

  • Was kostet Intimitätskoordination?

    Im Bereich der Intimitätskoordination gelten international relativ einheitliche Standardgagen.

    Intimacy Coordinators sind Heads of Department (HoD) – vergleichbar mit Stunt Coordinators oder anderen Abteilungsleitungen. Die Standardgagen spiegeln entsprechend die Verantwortung, den künstlerisch-technischen Gestaltungsraum und die sicherheitsrelevante Funktion dieser hochspezialisierten Position wieder.

    🌍 Internationale Standards

    In den englischsprachigen Märkten orientieren sich die Standardgagen an den Vorgaben der Gewerkschaften SAG-AFTRA (USA) und BECTU (UK).
    Diese Richtlinien gelten ebenfalls als Orientierung für viele europäische Länder, darunter Skandinavien und Irland.

    🇩🇪 Deutschland

    In Deutschland empfiehlt der Berufsverband für Intimitätskoordination und Kampfchoreografie (BIK) Standardgagen in Anlehnung an die internationalen Standards. Diese Gagen berücksichtigen Qualifikation und Berufserfahrung, und unterscheiden zwischen Film/Fernsehen und Bühnenproduktionen. Die Gagentabelle des BIK finden Sie hier.

    ℹ️ Wichtig

    Jedes Projekt ist einzigartig. Ich bespreche daher Gagen stets projektbezogen und individuell - so, daß Sicherheit und Qualität bei Ihrer Produktion optimal gewährleistet werden können. Sprechen Sie mich gern an!